Sonntag, 30. November 2014

Die Faszination der Mentalen Stärke nach zwei Jahren Ultralauf

Ich werde ja immer wieder zum Thema Mentale Stärke befragt. Häufig soll ich beschreiben, wie viel Prozent die Mentale Stärke ausmacht. Vor einem Jahr habe ich noch gesagt, dass es vielleicht 60 bis 70% sind, war mir aber auch nicht ganz sicher. Ich habe in den letzten Monaten viel darüber nachgedacht und würde nach meinem Studium der eigenen Erfahrungen behaupten, dass der Kopf der absolut entscheidende Motor ist. Mit meiner Willenskraft kann ich mich antreiben, motivieren, beeinflussen und auch bremsen. Meine Gedanken kreieren eine Idee und je nachdem wie stark ich meine Begeisterungsfähigkeit dafür aktivieren kann, entwickelt sich die Idee zum großartigen Projekt. Die Begeisterung treibt mich an. Die Begeisterung beflügelt mich. Die Begeisterung lässt mich handeln. Woher die Idee für etwas kommt, kann ich nicht genau sagen. Der Gedanke entspringt wie ein Funke und entweder entsteht ein gigantisches Feuerwerk oder der Gedanke verpufft so schnell wie er gekommen ist. Die mentale Begeisterung für etwas wirkt sich auch körperlich aus: mein Herzschlag wird schneller, ich bin aufgeregt, werde fast hyperaktiv und will diese Idee gleich umsetzen. Wer also mit dem Trailrunning oder dem Joggen beginnen möchte, muss dafür nur die richtige Begeisterung entwickeln. Dann läuft der erste Kilometer fast von alleine. Die Begeisterung für etwas treibt an. Und dann ist es egal, ob es bei einem Kilometer bleibt, oder man 100 Kilometer rennt. Solange der Kopf in Form ist und die mentale Steuerungszentrale positive Botenstoffe ins Blut feuert, läuft es einfach. Deswegen würde ich behaupten, dass Mentale Stärke vom ersten Schritt an den Erfolg ausmacht.
Nun kommen beim Joggen natürlich noch der Körper und die biomechanischen Gesetzmässigkeiten hinzu. Knorpel, Sehnen, Bänder, Knochen und alle anderen Mitspieler reagieren mit unterschiedlicher Anpassung auf mechanische Reize (=Bewegen der Gliedmaßen). Wird eines der Systeme überfordert, reagiert es mit Schmerzen und signalisiert, das eine Pause sinnvoll wäre. Nun muss sich die Mentale Stärke und die hyperaktive Begeisterung etwas bremsen und den Systemen Zeit zur Adaptation geben. Man muss in dieser Zeit nicht pausieren, sondern kann sich mit anderen Bewegungen (z.B. Radfahren, Schwimmen) in Form halten. Aus einem Kilometer werden dann schnell zwei, drei, vier, zehn, fünfzehn. Natürlich gibt es zwischendurch Krisen und Zweifel und zur hyperaktiven Begeisterung gesellt sich dann auch allmählich der innere Schweinehund, der es der Begeisterung hin und wieder schwer macht. Aber auch in dieser Phase ist es die Mentale Stärke, die sich über alle hinwegsetzen kann und einfach weiter unermüdlich motiviert. Und dann kann es passieren, dass man nach "einiger" Zeit 100 Kilometer am Stück läuft. Und auch da ist es wieder die Mentale Stärke und die Begeisterung, die antreiben. Die Willenskraft als Urkraft gesellt sich dazu und schreit laut: "Du schaffst das, du hast schon so viel geschafft, dann schaffst du das auch noch!". Mentale Stärke und hyperaktive Begeisterung trifft zunehmend "die Erfahrung". Denn mit jedem gelaufenen Kilometer sammelt man lehrreiche Erfahrungen. Und diese verschieben die Grenzen. Wenn man 10 Kilometer locker laufen kann, dann ist doch logischerweise noch Luft nach oben. Also warum nicht beim nächsten Mal 12 Kilometer laufen. Und so verschiebt sich diese Grenze.
Mentale Stärke treibt mich an und lässt mich weitergehen, als zuvor. Doch so sehr ich mich mental auch auf etwas einstelle und trainiere: manche körperlichen Grenzen lassen sich nicht überwinden. Ich wäre zum Beispiel nicht in der Lage, 100 Meter unter 10 Sekunden zu rennen, geschweigedenn unter 12 Sekunden. Der Weltrekord der Frauen liegt bei 10,49 Sekunden (Florence Griffith-Joyner im Jahr 1988). Auch wenn ich mental und physisch noch so hart trainieren würde, ich würde es nicht schaffen. Weil manche Dinge einfach genetisch vorgegeben sind und die Mehrheit meiner Muskelfasern vom Typ "langsam zuckender Faser" bestehen, was bedeutet, dass ich über zuwenig Einheiten verfüge, die für die Schnelligkeit verantwortlich sind. Natürlich kann ich meine Schnelligkeit trainieren, aber ich würde nie die Zeit laufen, die für einen Weltrekord reicht. Mit dieser Erkenntnis kann ich mich dann aber wiederum auf die Stärken konzentrieren und an diesen arbeiten.
Ist Mentale Stärke dann also nur so lange erfolgreich einsetzbar wie innere (oder genetische) Umstände es zulassen? Ich denke, so lange man einer Idee, die man hat, nicht nachgeht, sie nicht ausprobiert, nicht selber erfährt und erspürt, wie es sich anfühlt; wenn man nicht selber die Erfahrung macht, wie es ist, kann man nicht sagen, dass man es nicht kann. Denn: auf diese Weise entdeckt man (verborgene) Talente, erkennt Schwächen, verschiebt Grenzen und vor allem: man erlebt etwas. Man sammelt Erfahrung. Und dazu lohnt es sich immer, etwas auszuprobieren.
Mentale Stärke- Fortsetzung folgt.
Mein Musiktipp: https://www.youtube.com/watch?v=-AORasS2Oxc



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